37 Worte, die den Frauenfussball für immer veränderten
<p><strong>Diese Woche präsentiert das Heritage Team des FIFA Museums eine Auswahl ganz besonderer Objekte von April Heinrichs, der Kapitänin des Teams, das die erste FIFA Frauen-Weltmeisterschaft gewann, und wir erklären, wie ein bahnbrechendes Gesetz mit nur 37 Wörtern dies alles möglich gemacht hat.</strong></p>
<p>In der Vitrine für die FIFA Frauenfussball-Weltmeisterschaft 1991 im FIFA Museum befindet sich eines der bedeutendsten Exponate, die wir in unserer Sammlung haben. Es kommt nicht oft vor, dass wir ein Set aus Trikot und Hose ausstellen können, geschweige denn eines, das von einer Weltmeisterin getragen wurde. Aber was dieses Set noch spezieller macht, ist die Tatsache, dass es von April Heinrichs getragen wurde, als sie die erste Frau war, die den Weltmeisterpokal gewann. Damit hat sie sich einen Platz in der Fussball-Geschichte gesichert, neben Uruguays José Nasazzi, 61 Jahre nachdem er der erste Mann war, der als Kapitän seine Nation zum WM-Sieg führte.</p>
<p>Das ist aber noch nicht alles. Heinrichs' Trikotset ist neben ihrer Siegermedaille ausgestellt und daneben befindet sich die mittlerweile ehemalige Original-Trophäe der Frauenfussball-Weltmeisterschaft. Es ist eine aussergewöhnliche Zusammenstellung äusserst bedeutender Objekte, die uns dabei helfen, die Geschichte zu erzählen, wie der Frauenfussball seine ersten Schritte auf dem Weg zur Nummer eins unter den Frauensportarten der Welt machte. Da wir uns dem 30. Jahrestag dieser bahnbrechenden Weltmeisterschaft nähern, lohnt es sich zu untersuchen, wie der Sieg des US-Teams an jenem historischen Tag im November 1991 möglich gemacht wurde.</p>
<p>2022 jährt sich eines der bedeutendsten Gesetze, die den Sport weltweit betreffen, zum 50. Mal. Im Jahr 1972 erliess die US-Regierung eine 37 Wörter umfassende Klausel innerhalb des Education Amendments Act namens Title IX. Ohne Title IX bezweifelt Heinrichs, dass wir heute ihre Objekte im Museum ausstellen würden, wie sie in einem exklusiven Interview mit dem FIFA Museum erzählt. "Es ist kein Zufall.... Mein Weg ist ein direktes Resultat davon, dass ich von den unbeabsichtigten und beabsichtigten Folgen der Title IX-Gesetzgebung profitiert habe. Mein Weg verlief parallel zu dem von Title IX. Ich habe grosses Glück!"</p>
<p>Der Text ist einfach. "Niemand in den Vereinigten Staaten darf aufgrund des Geschlechts von der Teilnahme an Erziehungsprogrammen oder Aktivitäten ausgeschlossen werden bzw. die Vorteile solcher Programme vorenthalten bekommen, sofern das Programm finanziell von der Regierung unterstützt wird."</p>
<p>"Die Title IX-Gesetzgebung wurde 1972 als Instrument zur Chancengleichheit für Frauen verabschiedet", erklärt Heinrich. "Es sollte Frauen die Möglichkeit geben, Universitäten zu besuchen und eine Ausbildung zu erhalten, wie Männer, und dann Frauen darauf vorbereiten, in die Arbeitswelt zu gehen und eine bezahlte Position in einem Unternehmen oder einer Institution zu erlangen. Die unbeabsichtigten Folgen waren, dass es auch bedeutete, dass Mädchen und Frauen die gleichen Chancen im Sport durch akademische Einrichtungen haben, die staatliche Mittel erhalten, durch Stipendien, um Sport an akademischen Einrichtungen zu betreiben, wie Männer."</p>
<p>Da die meisten Bildungseinrichtungen neben privaten, kommunalen und Mitteln des Staats in irgendeiner Form auch Bundesmittel - also Geld von der US-amerikanischen Regierung - erhalten, musste das in den USA so weit verbreitete System der Sportstipendien völlig umgestellt werden. Im Jahr 1972 gab es gerade einmal 50 Stipendien für Frauen im Vergleich zu 50.000 für Männer. Im Zuge des neuen Gesetzes mussten Studentinnen gleichberechtigten Zugang zu Programmen und Förderungen erhalten.</p>
<p>Der Boom der Sportstipendien für amerikanische Frauen nach 1972 veränderte den Sport im Allgemeinen, aber den Frauenfussball im Speziellen. Millionen von Mädchen fingen an, das Spiel in der High School zu spielen, so wie Heinrichs 1978, ein Jahr nach der Gründung ihres Highschool-Teams. Und für die besten von ihnen gab es nun eine Möglichkeit auch an der Universität zu spielen. Vor allem eine Universität machte sich einen Namen im Frauenfussball - die University of North Carolina - und hier schrieb sich Heinrichs im Herbst 1983 ein. Acht ihrer Mannschaftskameradinnen bei der ersten Weltmeisterschaft kamen ebenfalls von der UNC, darunter Mia Hamm, Kristine Lilly und Carla Overbeck, zusammen mit Trainer Anson Dorrance.</p>
<p>Die gesamte US-Mannschaft in China war sich bewusst, wie viel Glück sie hatte, einer Generation anzugehören, die von Title IX profitiert hatte, und welchen Vorteil sie dadurch gegenüber anderen Nationen hatte, nicht nur bei der ersten Weltmeisterschaft, sondern bei jedem Turnier seitdem. Bei den acht bisher gespielten Weltmeisterschaften wurden vier von den Amerikanerinnen gewonnen, zusätzlich gab es einen zweiten Platz und drei dritte Plätze. Bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Tokio hoffen die USA auf die fünfte Goldmedaille im siebten Turnier. Laut Heinrichs "wäre das nicht möglich gewesen ohne die Title IX-Gesetzgebung, die von der US-Regierung verabschiedet wurde, um Frauen Bildungs- und Karrierechancen zu bieten."</p>
<p>Es lohnt sich auch, das übergeordnete Bild zu betrachten. Auf dem Equal Playing Field Summit im Vorfeld des WM-Finales 2019 in Lyon verwies Donna De Varona, eine olympische Medaillengewinnerin im Schwimmen und eine der führenden Persönlichkeiten zur Förderung von Frauen im Sport, auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst and Young, die zeigte, dass 94 Prozent der Frauen in Führungspositionen der 500 grössten US-Unternehmen an Sportwettbewerben teilgenommen hatten, wobei 50 Prozent dies bereits an der Universität getan hatten. "Der Zusammenhang zwischen den vorhandenen Sportmöglichkeiten und dem Erfolg im späteren Leben könnte nicht deutlicher sein", sagte De Varona. "Title IX setzte das Potenzial der Hälfte der amerikanischen Bevölkerung frei, nicht nur auf dem Spielfeld, sondern in allen Bereichen des Lebens."</p>
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