Eine schwierige Geburt
<p><strong>Vor genau 100 Jahren, am 2. September 1921, wurde in der Molesworth Hall in Dublin die Football Association of Ireland gegründet. Wohl kaum ein anderer Verband erlebte eine so schwierige Entstehungsgeschichte.</strong></p>
<p>Die „irische Frage“ dominierte im 19. Jahrhundert die britische Politik. Nachdem sich die Iren 1801 mit Grossbritannien zum Vereinigten Königreich zusammengeschlossen hatten, drängten sie wenig später auf eine erneute Eigenständigkeit. Erfolg hatte sie aber erst nach dem Ersten Weltkrieg, als sich 73 neue Parlamentsabgeordnete der Sinn Féin im Januar 1919 weigerten, ihre Plätze in Westminster einzunehmen. Stattdessen gründete die Gruppe in Dublin ein abtrünniges Parlament, das sogleich die Abspaltung vom Vereinigten Königreich verkündete.</p>
<p>Die Proklamation wurde jedoch nur von der Sowjetunion anerkannt und führte zum Irischen Unabhängigkeitskrieg, der von der Irischen Republikanischen Armee (IRA) in einer Art Guerilla-Kampf gegen die Briten geführt wurde. Trauriger Höhepunkt war der „Bloody Sunday“ (Blutsonntag) am 21. November 1920. Nachdem die IRA 14 britische Agenten getötet hatte, feuerte irische Polizeieinheit die Royal Irish Constabulary auf die Zuschauer bei einem Gaelic-Football-Spiel im Croke Park. 14 Tote und 60 Verletzte waren bei diesem neuerlichen Blutbad zu beklagen.</p>
<p>Am 11. Juli 1921 wurde schliesslich ein Waffenstillstand vereinbart, dem Friedensverhandlungen zur Gründung des Irischen Freistaats folgen sollte. Zwei Monate zuvor hatte der Government of Ireland Act die Gründung Nordirlands besiegelt, bestehend aus den sechs weitgehend protestantischen Grafschaften in der Provinz Ulster, in der die Unionisten und damit die erbittertsten Gegner eines unabhängigen Irlands das Sagen hatten. Dieser Schritt war nur für den Fall der Fälle, da die Unionisten glaubten, dass die Vereinbarung den erneuten Zusammenschluss und damit ein vereintes Irland besiegeln würde.</p>
<p><strong>Umstrittene Pläne für einen zweiten Fussballverband</strong><br>In diesem Spannungsfeld wurde in Dublin die umstrittene Gründung eines irischen Fussballverbands vorangetrieben. Als letzte britische Nation hatten die Iren den Association Football übernommen. Gaelic Football war für sie über lange Zeit das einzig Wahre gewesen. Rugby und Association Football waren hingegen nichts mehr als „Garnisonsspiele“, womit sie ihre Missbilligung gegenüber den in den Städten der britischen Einheiten populären Sportarten deutlich zum Ausdruck brachten. Bereits 1880 war in Belfast die Irish Football Association (IFA) gegründet worden, die den Association Football auf der ganzen irischen Insel kontrollierte und somit sagte, wo es langging. Während in der bis dato 40-jährigen Länderspielgeschichte nur gerade sechs irische Länderspiele in Dublin ausgetragen wurden, waren es in Belfast fast 50. Auf Klubebene war Dublin noch stärker im Hintertreffen: kein einziger Meistertitel und nur gerade vier Pokalsiege konnten gewonnen werden (Shelbourne 1906, 1911 und 1920 sowie Bohemians 1908).</p>
<p>Die Dubliner Klubs, die aus dem Schatten ihrer Rivalen in Belfast treten wollten, waren denn auch die treibenden Kräfte hinter der Gründung der Football Association of Ireland (FAI). Im Juli 1921 machten sie sich daran, für den neuen Verband ein Regelwerk und eine Verfassung zu erarbeiten, was aber nicht von allen sehr gelitten war. So liess etwa A.E.T. Richey, der im Dubliner Fussball und im IFA mit Sitz in Belfast grosses Gewicht hatte, verlauten, dass er die Abspaltung von Belfast nicht guten Gewissens unterstützen könne und die Dubliner Klubs das Falsche täten.</p>
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<p>Stade Olympique de Colombes, Paris<br>Mittwoch, 28.05.1924, 1,659 Zuschauer<br>Schiedsrichter: A Henriot FRA<br>Tor: Duncan 75</p>
<p><strong>IRL</strong> • Paddy O'Reilly - Bertie Kerr, Jack McCarthy - Ernie MacKay, John Joe Dykes, Tommy Muldoon - Mick Farrell, Joe Kendrick, Paddy Duncan, Denis Hannon (K), Johnny Murray. <em>Kein Trainer</em><br><strong>BUL</strong> • Petar Ivanov - Aleksandar Christov, Simeon Yankov - Ivan Radoev, Boyan Boyanov, Geno Matev - Dimitar Mutafchiev, Nikola Mutafchiev, Todor Vladimirov (K), Konstantin Maznikov, Kiril Yovovich. <em>Leopold Nitsch AUT</em></p>
<p>Der irische Freistaat feierte sein Länderspieldebüt mit einem knappen Sieg gegen Bulgarien, das erst sein zweites Länderspiel bestritt. Seltsamerweise trugen die Iren blau und die Bulgaren grün! Die irische Mannschaft war zwei Tage lang unterwegs, um nach Paris zu gelangen, und musste das Geld für die Reise aufbringen, da die FAI nur wenig Geld zur Verfügung hatte. 250 Pfund wurden durch ein Spiel in Dublin eingenommen, aber die neue Regierung zog einen grossen Teil davon als Vergnügungssteuer ein! In dem Spiel verschoss Irlands 36-jähriger Kapitän Dinny Hanlon zwei Elfmeter, bevor Paddy Duncan den späten Siegtreffer erzielte und damit die Ehre hatte, der erste Torschütze in der Geschichte der Republik zu sein.</p>
<p>Goodison Park, Liverpool<br>Mittwoch, 21.09.1949, 51,847 Zuschauer<br>Tore: Martin (2) 34p 86<br>Schiedsrichter: John Mowat SCO</p>
<p><strong>ENG</strong> • Bert Williams – Bertram Mozley, Jack Aston – Billy Wright (K), Neil Franklin, Jimmy Dickinson – Peter Harris, Johnny Morris, Jesse Pye, Wilf Mannion, Tom Finney. <br><strong>IRL</strong> • Tommy Godwin – Johnny Carey (K), Tom Aherne – Billy Walsh, Con Martin, Tommy Moroney – Peter Corr, Peter Farrell, Davy Walsh, Peter Desmond, Tommy O’Connor</p>
<p>Ein Meilenstein für beide Nationen. Die Engländer mussten zum ersten Mal eine Heimniederlage gegen eine Mannschaft ausserhalb des Vereinigten Königreichs hinnehmen. Con Martin von Aston Villa verwandelte in der ersten Halbzeit einen Elfmeter, und Peter Farrell, der in seinem Heimatland spielte, sorgte kurz vor Schluss für den Endstand. Es sollte vier Jahre dauern, bis die Ungarn die Leistung der Iren wiederholen konnten. Sir Stanley Rous, der Sekretär des englischen Fussballverbands FA und spätere FIFA Präsident, war massgeblich an der Verbesserung der Beziehungen zwischen den britischen Verbänden und der FAI beteiligt, aber es sollte noch bis in die 1960er Jahre dauern, bis die Republik gegen Wales oder Schottland spielte, und noch länger dauerte es, bis es zu einem ersten Aufeinandertreffen mit Nordirland kam.</p>
<p>1973<br>Frauenfussball</p>
<p>Das erste offiziell anerkannte Frauen-Länderspiel der Republik Irland wurde nach der Gründung des irischen Frauenfußballverbands (LFAI) ausgetragen. Die Mannschaft gewann 3:2 gegen Wales, und Paula Gorham erzielte bei ihrem Debüt in der A-Nationalmannschaft der Frauen einen Hattrick. Dieses Jahr ist sie in die Hall of Fame vom Irischen Fußballverband aufgenommen worden. Die LFAI war zunächst unabhängig vom FAI und erhielt 1991 den Status eines vollwertigen Mitglieds im Obersten Rat der FAI. Im Jahr 2001 änderte der Verband seinen Namen in Women's Football Association of Ireland (WFAI). Die FAI machte vor kurzem Schlagzeilen, als sie ankündigte, dass die Spieler*innen der Frauen- und der Männermannschaft bei internationalen Einsätzen gleich bezahlt werden sollen.</p>
<p>Lansdowne Road, Dublin<br>Mittwoch, 20.09.1978, 55,000 Zuschauer<br>Schiedsrichter: Francis Rion BEL</p>
<p><strong>IRL</strong> • Mick Kearns – Tony Grealish, Mark Lawrenson, Noel Synnott, Jimmy Holmes – Gerry Daly, Johnny Giles (K), Liam Brady – Paul McGee, Frank Stapleton (Mick Walsh 54), Steve Heighway (Don Givens 64). <em>Johnny Giles</em><br><strong>NIR</strong> • Pat Jennings – Pat Rice, Allan Hunter (K)(Bryan Hamilton 71), Chris Nicholl, Sammy Nelson – Sammy McIlroy, David McCreery, Martin O’Neill, Jimmy Nicholl – Gerry Armstrong, Derek Spence (Terry Cochrane 68). <em>Danny Blanchflower</em></p>
<p>Das Aufeinandertreffen der beiden Länder war vorprogrammiert, und es war das Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 1980, das sie schliesslich 56 Jahre nach der Gründung des irischen Freistaats zum ersten Mal zusammenführte. Die Ordnungskräfte in Dublin waren gut auf ein Spiel vorbereitet, das auf dem Höhepunkt der "Unruhen" in Nordirland stattfand - um das Spielfeld herum wurde ein neun Fuss hoher Drahtzaun errichtet, um die beiden Gruppen von Fans, 8.000, die aus Nordirland über die Grenze kamen, zu schützen. Es gab ein paar kleinere Handgemenge und ein Dutzend Verhaftungen, aber die Gardai erklärten: "Wir hatten ungefähr so viel Ärger wie bei jeder grösseren Sportveranstaltung heutzutage." Zum Spiel selbst... Pat Jennings erwies sich einmal mehr als Weltklasse-Torhüter, der drei hervorragende Paraden zeigte, während Nordirlands Trainer Danny Blanchflower das 0:0-Unentschieden als "perfektes politisches Ergebnis" bezeichnete.</p>
<p>Luigi Ferraris, Genoa<br>Montag, 25.06.1990, 17:00, 31,818 Zuschauer<br>Schiedsrichter: José Ramiz Wright</p>
<p><strong>IRL</strong> • Pat Bonner – Chris Morris, Mick McCarthy (K), Kevin Moran, Steve Staunton (David O’Leary 94) – Ray Houghton, Paul McGrath, Andy Townsend, Kevin Sheedy – Niall Quinn, John Aldridge (Tony Cascarino 22). <em>Jack Charlton ENG</em><br><strong>ROU</strong> • Silviu Lung (K) – Gheorghe Popescu – Mircea Rednic, Ioan Andone, Michael Klein – Iosif Rotariu, Ioan Sabău (Daniel Timofte 98), Gheorghe Hagi, Ionuț Lupescu – Gavril Balint, Florin Răducioiu (Dănuț Lupu 74). <em>Emerich Jenei</em></p>
<p>Es war vielleicht nicht das beste Spiel in der Geschichte der Republik Irland, aber eines der denkwürdigsten, das die zahlreichen irischen Fans am Ende in Begeisterung versetzte. Durch einen Sieg im Elfmeterschiessen qualifizierte sich die Mannschaft für das Viertelfinale der WM 1990 in Italien. Pat Bonner ahnte bei allen fünf rumänischen Elfmetern die Ecke und konnte schliesslich den letzten Elfmeter von Daniel Timofte parieren. David O'Leary war es dann vorbehalten, den Siegtreffer zu erzielen. Es ist das einzige Mal, dass die Republik Irland ein K.o.-Spiel bei einer Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft gewonnen hat.</p>
<p>Stade Pierre-Mauroy, Villeneuve-d’Ascq, Lille<br>Mittwoch, 22.06.2016, 21:00, 44,268 Zuschauer<br>Tor: Brady 85<br>Schiedsrichter: Ovidiu Hațegan ROU</p>
<p><strong>ITA</strong> • Salvatore Sirigu – Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci (K), Angelo Ogbonna – Thiago Motta – Federico Bernardeschi (Matteo Darmian 60), Stefano Sturaro, Alessandro Florenzi, Mattia De Sciglio (Stephan El Shaarawy 81) – Simone Zaza, Ciro Immobile (Lorenzo Insigne 74). <em>Antonio Conte</em><br><strong>IRL</strong> • Darren Randolph – Seamus Coleman (K), Shane Duffy, Richard Keogh, Stephen Ward – Jeff Hendrick, James McLean, James McCarthy (Wes Hoolahan 77), Robbie Brady – Shane Long (Stephan Quinn 90), Daryl Murphy (Aiden McGeady 70). <em>Martin O’Neill</em></p>
<p>Die Republik Irland hat bei internationalen Turnieren 23 Spiele bestritten und nur vier gewonnen, aber das ist bei einer Bevölkerung von nur fünf Millionen Einwohnern vielleicht nicht allzu überraschend. Zwei dieser Siege wurden gegen Italien errungen - bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA und hier bei der Europameisterschaft 2016. Fünf Minuten vor Schluss stand Irland kurz vor dem Ausscheiden aus dem Wettbewerb, doch Wes Hoolahan schlug eine perfekte Flanke auf Robbie Brady, der mit seinem Kopfball den dramatischen Siegtreffer erzielte und sein Team zum ersten Mal bei einer Europameisterschaft über die Gruppenphase hinausbrachte.</p>
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<p>Bis Anfang September änderte Richey aber seine Meinung und wurde am historischen Tag vor 100 Jahren schliesslich zum ersten Präsidenten des FAI gewählt. Schon drei Wochen später startete die neue League of Ireland, in der sich St. James’s Gate vor Bohemians und Shelbourne zum ersten Meister krönte und sogar das Double gewann, dank eines Sieges gegen Shamrock Rovers, dem Dritten in Bunde der Dubliner Klubs, die den irischen Fussball in den folgenden Jahren dominieren sollten.</p>
<p><strong>Ein schwerer Stand für den neuen Verband</strong><br>Trotz des Blitzstarts hatte der neue Verband einen schweren Stand, denn mit dem Ende des Unabhängigkeitskriegs war der politische Konflikt noch lange nicht gelöst. Der am 16. Dezember 1921 unterzeichnete Anglo-irische Vertrag schuf zwar die Grundlage für die Gründung des Irischen Freistaats im Dezember 1922, sorgte bei den Iren aber gleichwohl für Unmut, weil sie keine Republik wurden, sondern wie etwa Kanada ein Dominion im Britischen Reich blieben. Dies führte zur Spaltung der IRA sowie zum von Juni 1922 bis Mai 1923 dauernden Irischen Bürgerkrieg. In einer solch hitzigen Atmosphäre die Kontrolle über den Fussball zu behalten, war daher alles andere als einfach.</p>
<p>Die Position des FAI wurde zusätzlich gestärkt, als sich die sechs Grafschaften Nordirlands zwei Tage nach der Gründung des Irischen Freistaats im Dezember 1922 abspalteten und damit die Hoffnungen auf ein vereintes Irland zunichtemachten. Obwohl beide Verbände in der Folge die Kontrolle über die gesamte Insel beanspruchten, beschränkte sich ihre Gewalt auf die jeweiligen geografischen Gebiete.</p>
<p>Sein internationales Fussballdebüt feierte der Irische Freistaat 1924, d. h. ein Jahr nach seiner Aufnahme in die FIFA. Der 1:0-Sieg gegen Bulgarien beim Olympischen Fussballturnier in Paris war gleichzeitig das erste offizielle Länderspiel eines irischen Teams ausserhalb der Britischen Inseln. Erst mehr als 50 Jahre später bestritt die Republik Irland so die offizielle Bezeichnung ab 1948 erstmals ein Länderspiel gegen Nordirland. Vor diesem 0:0 im September 1978 in Dublin waren die Beziehungen zwischen dem FAI in Dublin und dem IFA in Belfast oft angespannt, weil Nordirland weiterhin unter dem Namen „Irland“ antrat und darauf bestand, Spieler aus ganz Irland aufzubieten.</p>
<p><strong>Spieler für beide Irischen Teams</strong><br>Dies führte dazu, dass Con Martin, Davy Walsh, Tom Ahere und Reg Ryan in der Qualifikation für die WM 1950 für beide Teams spielten. Erst bei einer Partie gegen Portugal in der Qualifikation für die WM 1958 trat der IFA unter der Bezeichnung „Nordirland“ an, behielt den Namen „Irland“ in der alljährlichen British Championship aber bis in die 1970er-Jahre bei.</p>
<p>Oft wird darüber spekuliert, ob es dereinst wieder ein vereintes irisches Fussballteam geben möge wie im Rugby, wo die Gründung des Irischen Freistaats 1922 nicht zu derselben Spaltung geführt hat wie im Association Football. Da beide Fussballteams mittlerweile fest etabliert sind und ihre eigene Geschichte mit heroischen Auftritten bei Welt- und Europameisterschaften haben, sind die Chancen höchst ungewiss. Wie sehr, wird die Zukunft weisen.</p>
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