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Schottland gegen England: 150 Jahre internationaler Fussball

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<p><strong>Vor 150 Jahren war Glasgow Schauplatz des ersten offiziellen Länderspiels in der Geschichte des Association Footballs. Jeder Spieler, der jemals ein Trikot einer Nationalmannschaft angezogen hat, und jeder Fan, der ein Spiel seiner Nation gesehen hat, tritt in die Fussstapfen der wenigen Auserwählten, die diesen historischen Tag am 30. November 1872 miterlebt haben.</strong></p> <p>Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte die schottische Stadt Glasgow, wie so viele andere Städte in der Welt, gravierende Veränderungen. Von einer Stadt mit nur 70 000 Einwohnern um die Jahrhundertwende hatte sie sich bis 1872 zu einem bedeutenden Hafen- und Industriezentrum mit einer Bevölkerung von über einer halben Million entwickelt. Thomas Sulmans &#34;Bird&#39;s Eye View of Glasgow&#34; (Vogelperspektive von Glasgow), das 1864 in der Illustrated London News erschien, vermittelt einen faszinierenden Eindruck von der Stadt kurz vor dem Sportereignis, das als erstes offizielles Länderspiel im Verbandsfussball in die Geschichte eingehen sollte. Die Stadt, die nach London als zweite Stadt des Empire bekannt war, war berühmt für ihre Baumwoll-, Schiffbau- und Schwerindustrie, die an den Ufern des Flusses Clyde zu sehen war.</p> <p>Mit der wachsenden Bevölkerung wurde auch das Wohlstandsgefälle zwischen den Glasgower Bürgern immer grösser. Dies führte unter anderem zu einer Überbevölkerung in bestimmten Gebieten der Stadt, die langfristige Folgen hatte. Die Gorbals, ein Gebiet am Südufer des Flusses Clyde, entwickelten sich zu einer der ärmsten Gegenden Europas und erreichten in den 1930er Jahren ihren Höhepunkt. Zu dieser Zeit befanden sich dort auch die drei grössten Fussballstadien der Welt, die alle mehr als 100 000 Zuschauer fassen konnten. Dazu gehörten Ibrox, die Heimat der Rangers, Parkhead, die Heimat von Celtic, und Hampden Park, die Heimat von Queen&#39;s Park und das de facto Nationalstadion Schottlands.</p> <p></p>
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<p>Im Jahr 1872, als noch keins dieser drei Stadien existierte, traten die Nationalmannschaften von Schottland und England am 30. November im West of Scotland Cricket Club in der wohlhabenden Stadt Partick gegeneinander an. Dieses historische Ereignis gilt heute als das allererste Länderspiel. Es war darüber hinaus auch ein wichtiger Tag für Schottland, denn das Datum ist der Saint Andrews Day, der heute als schottischer Nationalfeiertag gefeiert wird. Während Partick heute klar innerhalb von Glasgows Stadtgrenzen liegt, war es 1872 noch eine eigenständige Stadt, etwa eine Meile westlich von dort, wo Sulman&#39;s Illustration aufhört.</p> <p><strong>Die Vorgeschichte des ersten Länderspiels</strong><br>Vor dem ersten Länderspiel wurden zwischen März 1870 und März 1872 bereits fünf Spiele zwischen England und Schottland in London ausgetragen. In den zeitgenössischen Zeitungen wurden sie alle als Länderspiele bezeichnet. Allerdings weigerten sich die rugbyspielenden Fussballer in Schottland, sie als solche anzuerkennen, und organisierten im März 1871 ein eigenes Spiel am Raeburn Place in Edinburgh. Das Halbfinale des ersten FA-Cups zwischen Glasgow&#39;s Queen&#39;s Park und den Wanderers überzeugte Charles Alcock, den Sekretär des englischen Fussballverbands, zu Beginn der neuen Saison im Herbst eine englische Mannschaft in den Norden zu schicken. Dies war ein Zeichen der Unterstützung für den jungen Sport, zu einer Zeit, als Rugby weitaus populärer war als Association Football.</p>
<p>Am Freitagmorgen des 29. November trafen sich sieben der Engländer, um den Morgenzug von London Euston zu nehmen. Die übrigen nahmen den Abendzug, der am Morgen des Spiels eintraf. Mit der Eröffnung der Caledonian Mainline im Jahr 1849 war es möglich, von London nach Glasgow zu reisen, ohne umzusteigen. Aber die Reise dauerte zwölfeinhalb Stunden. Keine ideale Vorbereitung für ein Fussballspiel. Die erste Gruppe übernachtete im Carrick&#39;s Royal Hotel am George Square im Zentrum von Glasgow, wo sie am nächsten Morgen mit dem Rest des Teams wieder vereint wurde.</p> <p>Es war keine Überraschung, dass Queen&#39;s Park alle Spieler für die schottische Elf stellte, denn ein schottischer Fussballverband war noch nicht gegründet worden. Nachdem Archibald Rae, der Präsident von Queen&#39;s Park, die Pläne für das Spiel bekannt gegeben und zur Rekrutierung von Spielern aufgerufen hatte, fanden zwei Testspiele statt. Im ursprünglichen Kader von 17 Spielern befanden sich drei Rugby-Nationalspieler und der in London lebende Arthur Kinnaird, doch wurden diese vier nicht in die endgültige Auswahl aufgenommen, da man der Meinung war, dass Queen&#39;s Park seinen Ruf auf&#39;s Spiel setzen würde und deshalb auch nur sie spielen sollten.</p> <p>Die Mannschaft wurde ausgewählt vom Kapitän Robert Gardner, einem Gründungsmitglied von Queen&#39;s Park fünf Jahre zuvor. Er spielte in der ersten Halbzeit im Tor, bevor er in der zweiten Halbzeit mit Robert Smith tauschte und im Sturm spielte. Smith und sein Bruder James spielten zu dieser Zeit für West Norwood in London, aber beide waren Gründungsmitglieder von Queen&#39;s Park und blieben weiterhin Mitglied. Von den 11 schottischen Spielern wurde Billy Mackinnon der erfolgreichste Fussballer. Ende der 1870er Jahre war er mit neun Länderspielen der Spieler mit den weltweit meisten Länderspielen. Seine insgesamt fünf Tore, alle gegen England, machten ihn ausserdem zum Rekordtorschützen. Mit stolzen 90 Jahren war er auch der Spieler beider Teams, der am längsten lebte.</p>
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<p><strong>Zwei zukunftsweisende Trikots </strong><br>Zwei Spieler haben den nachfolgenden Generationen etwas Greifbares hinterlassen. Im schottischen Fussballmuseum im Hampden Park ist die Mütze ausgestellt, die JJ Thompson für seine Teilnahme an den ersten drei schottischen Länderspielen erhielt. Bemerkenswerterweise hat das Trikot des Engländers Arnold Kirke-Smith überlebt und ist im National Football Museum in Manchester zu sehen. Wie an seinem Trikot zu erkennen ist, hat England an einer Sitzung seines Komitees am 14. November die weisse Farbe seiner Trikots mit dem nationalen Symbol der drei Löwen als Wappen angenommen, eine Tradition, die bis heute fortbesteht. In seinem Buch First Elevens beschreibt Andy Mitchell, wie die Schwester von David Wotherspoon auf die blauen Trikots, die Queen&#39;s Park damals trug, Wappen mit einem roten Löwen aufnähte - Farben und Wappen, die auch heute noch von Schottland getragen werden. </p> <p>England musste auf seinen Kapitän Charles Alcock sowie auf Morten Betts verzichten. Morten Betts, der acht Monate zuvor im ersten FA-Cup-Finale den Siegtreffer erzielt hatte. Trotz seiner Verletzung machte sich Alcock auf die Reise nach Glasgow und war fit genug, um als einer der beiden Schiedsrichter auf dem Spielfeld zu stehen, denn zu dieser Zeit waren die beiden Schiedsrichter auf dem Spielfeld und der Hauptschiedsrichter sass an der Seitenlinie.</p> <p>Bei diesem Spiel war Cuthbert Ottaway, der als einer der besten Sportler seiner Zeit gilt, der Kapitän der englischen Mannschaft. Im Jahr 2020, anlässlich des 1000. Spiels in der Geschichte Englands, schuf der Fussballverband für jeden Spieler, der für die Mannschaft gespielt hat, eine historische Nummer, wobei Ottaway die Nummer neun erhielt. Die Nummer eins erhielt Robert Barker, der Torhüter. In der zweiten Halbzeit tauschte Barker genau wie Gardner die Position mit John Maynard, um als Stürmer zu spielen. Vielleicht hatten die beiden das Gefühl, den ganzen Spass zu verpassen, weil die meisten der 22 Spieler auf dem Spielfeld Stürmer waren. Der Spielstil sah ganz anders aus als das Spiel, das wir heute kennen. Die Stürmer liefen in Gruppen über das Feld und dribbelten mit dem Ball, bis er in einem Gedränge unterging, ähnlich wie im Rugby. Das Passspiel steckte noch in den Kinderschuhen, obwohl es eine Taktik war, die von Schottland in den ersten Jahren des Spiels mit grossem Erfolg entwickelt wurde und die ihnen in vielen der ersten Länderspiele die Oberhand über England verschaffte.</p>
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<p><strong>Ein Ticket für einen Schilling und eine verrauchte Aufwärmrunde </strong><br>Das Spiel wurde gross angekündigt und die Karten wurden zum Preis von einem Schilling (zwölf Pence) verkauft. Der Platz in Partick hatte den Vorteil, dass er eingezäunt war, was bedeutete, dass der Eintritt nur gegen Bezahlung möglich war. Im schottischen Fussballmuseum befindet sich auch eine Eintrittskarte für das Spiel - die Nummer 806 - und angesichts der Einnahmen von 103 Pfund kann man davon ausgehen, dass etwa 2500 Zuschauer anwesend waren, wobei die Damen freien Eintritt hatten. Von den Einnahmen erhielt der West of Scotland Cricket Club 20 Pfund für die Miete des Stadions und 69 Pfund wurden für das Essen nach dem Spiel im Carrick&#39;s Royal Hotel ausgegeben.</p> <p>Doch nun zum Spiel selbst. Ein Fotograf hatte den Auftrag erhalten, das Ereignis zu dokumentieren, doch ohne die Zusage der schottischen Mannschaft, dass sie Abzüge kaufen würde, machte er sich schon vor dem Spiel wieder aus dem Staub. Zum Glück war der Glasgower Künstler William Ralston zur Stelle und seine Illustration des Spiels wurde zwei Wochen später im «The Graphic» abgedruckt. Seine Motive: Die englische Mannschaft wärmt sich in ihren Mänteln auf und raucht dabei ihre Pfeifen. Gardner verteidigt das schottische Tor über dem (unvollständigen) schottischen Nationalmotto Nemo Me Impune - Niemand provoziert mich ungestraft! Billy Mackinnon ist der einzige namentlich genannte Spieler auf der Illustration, der einen englischen Angriff mit einem spektakulären Fallrückzieher abwehrt.</p>
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<p><strong>14 Stürmer, aber keine Tore </strong><br>In den Spielberichten wird bis ins kleinste Detail beschrieben, wie der Ball von einer Seite des Spielfelds zur anderen und wieder zurückgetrieben wird. Doch trotz 14 Stürmern auf dem Spielfeld endete das Spiel torlos. Das Magazin «The Field» schrieb: &#34;Das Spiel wurde sofort schnell und furios&#34;, und fügte hinzu, &#34;der rutschige Zustand des Bodens war den Hoffnungen auf ein brillantes Dribbling der Engländer abträglich.&#34; Schottland, das auf dem abschüssigen Spielfeld nach unten spielte, schien in der ersten Halbzeit das bessere Team zu sein und hatte sicherlich die besten Chancen. Im Glasgow Herald hiess es: «Leckie schoss auf das Tor, was die begeisterten Rufe der Zuschauer auslöste, die dachten, der Ball sei im Tor versenkt worden. Leider nein! Er traf die Torumrandung, aber leider ging er nicht ins Tor, sondern rollte darüber. Eine knappe Sache, aber knappe Sachen zählen nicht.»</p> <p>In der zweiten Halbzeit schien England die Oberhand zu haben. Laut The Sportsman «agierten die Engländer, die sich nun besser an die Spielweise des Gegners gewöhnt hatten als Belagerer, und innerhalb kurzer Zeit wurde der Ball bis vor das schottische Tor gebracht, das nur durch die kluge Abwehr von R. Smith verteidigt wurde. Wieder ein allgemeiner Ansturm, und wieder wurde die schottische Festung stark angegriffen, erst von A. Kirke-Smith und dann von C.J. Chenery, die aber beide nur den Pfosten trafen.»</p> <p>Als die Spielzeit abgelaufen war, waren noch keine Tore erzielt worden. The Sporting Life vermerkte, dass «die englische Mannschaft dreimal herzlich hochgelebt wurde, ein Kompliment, das sie an die schottische Mannschaft zurückgab». Daraufhin wurde ein Rückspiel im Frühjahr 1873 und ein jährliches Spiel im Frühjahr jedes folgenden Jahres vereinbart. 1876 wurde Wales in den Spielplan aufgenommen, 1884 dann Irland. Erst 40 Jahre nach dem Spiel in Partick kam der Rest der Welt hinzu: Österreich, Ungarn, Argentinien und Uruguay im Jahr 1902 sowie Belgien und Frankreich im Jahr 1904, einen Monat vor der Gründung der FIFA.</p> <p>Der West of Scotland Cricket Ground ist immer noch da, jetzt im Herzen von Glasgow, da die Stadt um ihn herum gewachsen ist. Zwei weitere Länderspiele wurden dort ausgetragen, aber zur Heimat der Schottischen Nationalmannschaft wurde ein anderes Stadion: Der Hampden Park. Erstmals 1878 für ein Länderspiel genutzt, wechselte das Stadion zweimal den Standort, bevor es dort endete, wo es heute steht - nur einen Steinwurf von den vorherigen beiden Standorten entfernt. Mit dem Bau des heutigen Hampden Parks im Jahr 1903 erhielt der schottische Fussballverband das damals grösste Fussballstadion der Welt.</p>
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<p></p> <h4><strong>Mehr über die Geschichte des 150. Jahrestages des ersten Länderspiels und die damit verbundenen Feierlichkeiten in Glasgow findest du auf der <a href="https://hampdencollection.com/fitba150/" target="_blank" rel="noopener">Website der Hampden Collection</a>.</strong></h4> <p></p>
<p></p> <div class="standalone_text"> <p>West of Scotland Cricket Ground, Partick, Glasgow</p> <p>Samstag, 30. November 1872, 14:15 Uhr, ca. 2,500 Zuschauer</p> <p><strong>SCHOTTLAND 0-0 ENGLAND</strong></p> <p>Schiedsrichter: Charles Alcock ENG [&] Henry Smith SCO</p> <p>Hauptschiedsrichter: William Keay SCO</p> <p><strong>SCHOTTLAND</strong><br>Robert Gardner (c) - William Ker, Joseph Taylor - James Thomson, James Smith - Robert Smith, James Weir, Robert Leckie, Alexander Rhind, Billy Mackinnon, David Wotherspoon.</p> <p><strong>ENGLAND</strong><br>Robert Barker - Harwood Greenhalgh - Courtenay Welch - John Brockbank, Frederick Chappell, Cuthbert Ottaway (c), Arnold Kirke-Smith, Charles Chenery, Charles Clegg, John Maynard, Charles Morice.</p> </div> <p></p>