Tahitis Fussballmärchen
<p>Gesänge auf den steilen Rängen des Maracanã in Rio de Janeiro sind keine Seltenheit. Ungewöhnlich ist hingegen, wenn diese dem Gastteam gelten. Es ist deshalb nur verständlich, wenn Tahitis Kapitän Nicolas Vallar den Empfang beim FIFA Konföderationen-Pokal 2013 kaum fassen konnte.</p>
<p>"Zu Beginn des Konföderationen-Pokals konnten wir kaum glauben, wie viele uns unterstützten. Wir kriegten Gänsehaut, als wir die Anfeuerungsrufe für Tahiti hörten", erzählte Vallar dem FIFA World Football Museum.</p>
<p><div class="article-top-content_import"><h4>Sumner und das erste WM-Tor für Ozeanien</h4><div class="ce_text block teaser">Wir trafen Steve Sumner zu einem Gespräch über seinen historischen Moment bei der WM 1982 in Spanien. Erinnern Sie sich?</div></div>Mit einem 1:0 gegen Neukaledonien im Finale des OFC-Nationen-Pokals auf den Salomon-Inseln hatte sich Tahiti im Jahr zuvor das Ticket für Brasilien geholt. Erstmals war der kontinentale Meistertitel damit weder an Australien noch an Neuseeland gegangen.</p>
<p>Die Spieler von Eddy Etaeta starteten mit einem überzeugenden 10:1-Erfolg über Qualifikant Samoa ins Turnier. Torschützen waren die drei Tehau-Brüder Jonathan, Alvin und Lorenzo sowie ihr Cousin Teaonui Tehau. Nach einem 4:3 gegen Neukaledonien gaben sie sich auch im abschliessenden Gruppenspiel keine Blösse und bezwangen Vanuatu mit 4:1.</p>
<p>Nach dem 1:0 im Halbfinale gegen den Gastgeber setzten sie ihren Siegeszug auch im Finale in Honiara fort und besiegten Neukaledonien dank einem präzisen Schuss von Steevy Chong Hue in der zehnten Minute ebenfalls mit 1:0.</p>
<p>Gemäss Vallar, der beim Turnier in der Innenverteidigung sein Debüt gab und als bester Spieler des Turniers schliesslich mit dem Goldenen Ball ausgezeichnet wurde, wagte Tahiti allerdings erst nach dem Sensationssieg Neukaledoniens im zweiten Halbfinale gegen Neuseeland vom Sieg zu träumen.</p>
<p>"Wenn mir vor dem Turnier jemand gesagt hätte, dass wir den OFC-Nationen-Pokal gewinnen würden, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Es war schlicht unglaublich, als wir es schafften – unglaublich sowohl für uns Spieler als auch für den tahitianischen Fussball. Ich kann die Gefühle kaum in Worte fassen."</p>
<p><div class="article-top-content_import"><h4>WM 1966: Als die DVR Korea die Italiener schockte</h4><div class="ce_text block teaser">Wenig schien 1966 auf einen grossen WM-Auftritt der DVR Korea hinzudeuten. Ohne grosse Fanfaren und mit geringen Erwartungen reisten Pak Doo-ik und seine Mitspieler nach England - und sollten dennoch Geschichte schreiben.</div></div>"Der Einzug ins Halbfinale war unser Ziel. Als wir das Halbfinale gewonnen hatten und wussten, dass wir im Finale auf die Neukaledonier treffen würden, waren wir sehr zuversichtlich, weil wir sie schon in der Gruppenphase geschlagen hatten." In Vallars Worten schwingt eine grosse Portion Unbeschwertheit, die das ganze Team auszeichnete und dem 138. der Weltrangliste beim FIFA Konföderationen-Pokal gegen Nigeria, Uruguay und Spanien viel Sympathie eintrug.</p>
<p>"Wir machten uns nichts vor", erinnert sich Vallar. "Wir wussten, dass wir gegen diese Gegner kaum eine Chance hatten. Wir wollten das Ganze deshalb einfach geniessen und zusammen mit den Fans Spass haben." Mit dieser positiven Einstellung und dem sichtlichen Bemühen, nicht bloss zu mauern und abzuwarten, erntete die Mannschaft von Fans und Gegnern viel Respekt. Der Ehrentreffer im Auftaktspiel gegen den Afrikameister in Belo Horizonte wurde deshalb frenetisch bejubelt – fast wie ein Turniersieg.</p>
<p>Jonathan Tehau hatte einen Eckstoss von Marama Vahirua, der in Frankreich spielte und lange Zeit so etwas wie der verlorene Sohn des tahitianischen Fussballs war, kolossal per Kopf verwandelt. Es folgte ein ausgelassenes Paddeltänzchen der gesamten Mannschaft in Anspielung an den tahitianischen Volkssport: Auslegerkanu.</p>
<p>Mit dem Anschlusstreffer zum 1:3 schienen die Polynesier plötzlich auf Augenhöhe – allerdings nur kurz, denn die Nigerianer nahmen das Heft schnell wieder in die Hand und siegten schliesslich 6:1. Gegen Spanien (0:10) und Uruguay (0:8) kam es noch dicker, doch mit ihrem Sportsgeist eroberten die Tahitianer die Herzen vieler weiterer Fans in Rio, Recife und ihrer Heimat in Französisch-Polynesien.</p>
<p><div class="article-top-content_import"><h4>Auch Bonhof verewigt sich auf Wall of Champions</h4><div class="ce_text block teaser">Als erster Weltmeister von 1974 und insgesamt zweiter deutscher Titelträger nach WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose hat Rainer Bonhof die Wall of Champions unterschrieben.</div></div>Für Parick Jacquemet, den technischen Direktor der OFC und ehemaligen Nationaltrainer Tahitis, war der Erfolg alles andere als ein Zufallsprodukt und Vorbild für andere kleine Nationen im Pazifik und darüber hinaus. "Der Erfolg 2012 ist das Ergebnis einer langfristigen Planung und Vision zur Förderung junger Spieler und Trainer im Einvernehmen mit den Klubs und dank der Unterstützung durch den französischen Fussballverband", betonte Jacquemet gegenüber dem FIFA World Football Museum.</p>
<p>"Diese Spieler begannen alle mit sechs Jahren und wurden mit 12 oder 13 ins nationale Leistungszentrum aufgenommen. Sie waren mindestens zehn Jahre gezielt gefördert worden, ehe sie den Nationen-Pokal gewannen."</p>
<p>"Man ist nicht chancenlos, nur weil man klein ist – Tahiti zählt nur 260.000 Einwohner. Mit viel Einsatz und Organisation kann man Erfolg haben. Wenn Sie eine Vision haben, den Nachwuchs und die Trainer gezielt fördern und folglich eine langfristige Perspektive verfolgen, sind internationale Siege und Erfolge möglich."</p>